Costa Rica – der Geschichte 5. Teil

Costa Rica – der Geschichte 5. Teil

Ab in den Süden
Der Gipfel des Cerro del Muerte liegt auf über 3.500m. Wir kämpfen uns in die Höhe, die Landschaft ändert sich – wieder – dramatisch. Die Straße ist – no na – einspurig. Die Roadtrucks schrauben sich mit 25kmh den Berg hinauf. Runter fahren sie übrigens auch nicht schneller, dafür extrem laut wegen der Motorbremse. Man hat das Gefühl, dass es jeden Moment den Motor zerreißt. (Die unheimlich vielen LKW-Werkstätten hier befeuern diesen Verdacht…) Die Straße fällt ab in Richtung Pazifik. Die Erde verfärbt sich rot, immer mehr sieht die Umgebung aus wie in Australien. In einer Kurve müssen wir scharf bremsen, ein riesiger Leguan schmeißt sich todesmutig über die Straße, überlegt sich´s aber grad noch anders, bevor er, wie viele seiner Kollegen, zu Wildtier-Mus wird.

In San Isidor El General biegen wir ab in Richtung Dominical. Der erste Anblick der Pazifikküste ist überwältigend! (Und entschädigt für die enttäuschenden ersten Eindrücke der Karibikküste.) Lange fahren wir entlang der Küste. Die erste zweispurige Straße lädt zum Cruisen ein. Hier sind einige der schönsten Strände Costa Ricas aufgefädelt. Aber wir fahren weiter. Uns Ziel ist La Leona, eine Ecolodge auf der Halbinsel Osa. Das Navigationsgerät hält uns scheinbar zum Narren: Warum sollten wir für knapp 50 Kilometer noch 1,5 h brauchen? Kurz nach der letzten „Stadt“ Puerto Jimenez hegen wir einen ersten Verdacht: Wir biegen ein auf eine Schotterstraße. Sicher nur ein kurzes Stück… Nein, das scheint jetzt so zu bleiben. Links und rechts von uns große eingezäunte Gebiete, alle „privado – acceso prohibido. Wer sollte sich dahin verirren? Und was würde er dort mitnehmen? Wasserbüffel? Vielleicht ein paar Pferde. Oh. Eine Flussdurchquerung. Es soll nicht die letzte bleiben. Kurz gesagt wir fahren 1,5h lang mit ca. 25km/h eine megahoppelige „Straße“. Mal hängen die Blätter der Bäume so dicht über die Fahrspur, dass wir zweifeln, ob es sich immer noch um eine öffentliche Straße handelt.

Auf einem offenen Stück sehen wir einen Wagen am Straßenrand stehen. Eine Frau fotografiert irgendwas auf einem einzelnen Baum: Es sind die ersten Aras die wir sehen. Wir staunen darüber, wie groß die Tiere sind. Unsere Fahrt dauert an. Die Ankunftsfahne am Navi ist noch ein Stückchen weg, doch die Straße ist aus?! Die letzten „Häuser“ haben wir passiert. Wo soll es hier noch hingehen? Wir drehen um und sehen: La Leona Base Camp. Vollkommen zerrütte(l)t steigen wir aus unserem staubgrauen Richie (Remember: So heißt das Auto). Eine Frau kommt aus ihrer Hütte. Sie versucht, uns auf Spanisch irgendetwas mitzuteilen. Nur was? Ich bemühe mich sehr. Sie sich nicht. Sie spricht in ein Walkie Talkie und fuchtelt wird mit den Armen. Zu Hilfe kommt uns der Mann aus der Nachbarhütte. Thanks God er spricht Englisch und erklärt uns, was nun passieren wird: Wir sollen unser Gepäck hier auf die Veranda stellen, ein Pferdewagen wird es abholen. Wir müssen nun den Strand ca. 3,5 km entlanggehen. Dann werden wir zur Lodge „La Leona“ gelangen. Blöd, dass es schon recht spät ist. Ein kleine Überschlagsrechnung ergibt, dass wir sehr schnell gehen müssen, wollen wir nicht in die Dunkelheit kommen… Wie gut, dass ich im Reiseführer gelesen haben, dass der Jaguar gerne in der Dämmerung an den Strand kommt…

Wir stapfen los. Ins Nirwana. Weit und breit keine Menschen. Nur Strand und Urwald. Aber immerhin Fuß- und Reifenspuren! Langsam geht die Sonne unter. Wir können ihr Sinken genau beobachten, direkt vor uns. Warum haben wir bloß die Taschenlampen nicht aus den Taschen genommen? Und wo zur Hölle ist der Pferdekarren mit unserem Gepäck?! Panik steigt in mir auf. Ich beschleunige nochmal, versuche mein Survival-Wissen, das ich bei diversen DMAX-„Wie-überlebt-man-im-Dschungel“-Sendungen mitbekommen habe, abzurufen. Feuer. Das ist das wichtigste. Zum Schutz vor wilden Tieren! Wie Jaguaren z.B.

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Kurz bevor es dunkel ist schließt die moderne Ausgabe des Pferdewagens, ein Quad, zu uns auf. Keine Sorge! Ihr habt es gleich geschafft!

Erst jetzt nehme ich bewusst wahr, wie einzigartig der Ort ist an dem wir uns befinden. Links der Pazifik, rechts der Urwald und meilenweit nahezu keine Menschen. Irre!

La Leona entpuppt sich als wirklich besondere Location. Ein Schild in der „Lobby“ weist darauf hin, dass hier, im Corcovado-Nationalpark, 2,5% der weltweiten Biodiversität beheimatet sind. Crazy, oder? Auf einer Fläche von 490 km² (zum Vergleich: Wien hat eine Fläche von 414 km²) leben 2,5% aller Tiere und Pflanzen dieser Welt. Das macht einen schon demütig.

Die Lodge wird von Einheimischen betrieben. Sie ist so ökologisch wie möglich. Die Betten sind in Zelten aufgestellt, die nach allen Seiten hin „Fenster“ haben, aber mit Tüchern verhängt werden können. Das Bad ist dahinter, draußen. Der Duschkopf ist eine gelochte Kokosnuss. Strom gibt es nur im Haupthaus, also Bar, Küche, Essbereich. Abends werden Fackeln aufgestellt. Noch nie habe ich so einen sternenübersäten Himmel gesehen!

Zu Sylvester wird ein großes Feuer am Strand entzündet. Doch wir erleben den lokalen Jahreswechsel ohnedies nicht – immer noch Jetlag! Am nächsten Tag wünscht man sich „Happy New Year“, wenn man´s nicht wüsste, hätten wir hier, am Ende der Welt, nichts davon bemerkt! Wobei das Schlafen hier schon eine Herausforderung ist. Es ist immer noch ziemlich heiß. Die Brandung ist echt laut. Und des Morgens, des sehr frühen Morgens, zwitschern und kreischen dich die vielen Vögel aus dem Bett.

Am ersten Tag relaxen wir am Strand und in der Hängematte. Schwimmen kann man auch hier nicht wegen der Brandung, aber Wellenhüpfen macht uns allen Spaß. (Und reinigt alle, wirklich alle Körperöffnungen!) Und Starren. Einfach nur diese einzigartige Landschaft bestaunen!

Im Nationalpark Corcovado
Abends machen wir uns auf zu einem Nightwalk. Jeder bekommt Gummistiefel – igitt! Und eine Taschenlampe. Der Guide (ein in der Fachwelt sehr angesehener Biologe wie ich später ergoogle) ermahnt uns ernsthaft, auf unseren Weg zu achten und nicht auf Schlangen zu steigen. Schlangen haben wir keine gesehen aber Unmengen an Insekten darunter auch die bizarre Geißelspinne, den größten Frosch der Welt, eine Wolfsspinnen, Ameisen die in Symbiose mit einer Akazienart leben und rundherum keine Konkurrenzpflanzen groß werden lassen, Pfeilgiftfrösche, und sonstiges Getier. Und wir Undankbaren sind ein bisschen enttäuscht, dass wir keinen Ameisenbären gesehen haben. Zurück im Camp geben wir unsere Stiefel ab, als es im Unterholz raschelt. Und wer wackelt da direkt vor uns auf dem Weg mit seinem Rattenschwanz? Ein kleiner Ameisenbär! (Die großen sind in dieser Gegend leider schon ausgestorben.) Er lässt sich von uns überhaupt nicht stören und durchquert seelenruhig das Camp.

Am nächsten Tag geht auf zur großen Wanderung durch den Nationalpark. Wir sind mit wirklich viel Wasser ausgerüstet. Theoretisch kann man das Wasser aus den Flüssen auch trinken, aber wer weiß … Bis zu La Leona wusste ich noch nicht, was es heißt wirklich zu schwitzen. Wenn dir bei 34-37 Grad und einer Luftfeuchtigkeit knapp vorm Regen das Wasser das du dir in den Mund schüttest direkt bei den Poren wieder rausschießt, dann weißt du, was Schwitzen heißt.

Nasenbären sind unsere ständigen Begleiter bei der Tour. Sie leben in Symbiose mit irgendwelchen Vögeln: Die Vögel warnen vor Gefahren aus der Luft die Bären vor denen am Boden, genial!

Wir sehen einen weiteren Ameisenbären, eine Fledermausart, die Bananenstaudenblätter annagt, sie zusammenfaltet um sich so einen trockenen Schlafplatz zu bauen! Den Michael-Jackson-Vogel, der so heißt weil er, um das Weibchen zu beeindrucken, den Moonwalk macht, dazu noch jede Menge Affen, Ameisen, Schmetterlinge und noch vieles mehr, hier eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Kleiner Ameisenbär, Nasenbären, Jesus-Christ-Basilisk, Klammraffen, Aras, Aracari, Pelikan, Faultier, Tiger-Reiher, Black Hawk, Krabben ohne Ende, Mantis (Gottesanbeterin), Tent-building-bats, Blattschneiderameisen, …

Hier lebten einst Goldgräber. Sie haben Plantagen angelegt und in einfachen Schächten nach Gold gegraben. Die letzten sind erst in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts fortgezogen. Zwei Gräber sind noch erhalten.

Nach über 5 Stunden Wanderung kommen wir wirklich erschöpft wieder zurück nach La Leona. (Kein Kind hat gemurrt, nicht über die Hitze, nicht über den Schweiß, nicht über den Fußmarsch!) Nach einem ausgiebigen Essen geht´s ab in den Pazifik. Das Schlafen klappt´s jetzt übrigens schon ganz gut 😉

Morgen heißt´s Abschied nehmen vom Paradies. (Und da kommen dann auch die Baby-Schildkröten – ganz speziell für Steffi 😉

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