Wie das Improtheater seine Unschuld verlor. Oder: Blind male ich lieber.

Wie das Improtheater seine Unschuld verlor. Oder: Blind male ich lieber.

Das klingt jetzt pathetisch. Aber. (Ich mach jetzt einen auf Streeruwitz!)

Ich mache ja diesen Improtheater-Kurs. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich Lust hatte, in geschütztem Rahmen zu scheitern, meine Komfortzone gefahrlos zu verlassen, wieder einmal albern, ja peinlich zu sein. Vielleicht sogar Spaß an der Entblößung zu empfinden, anstatt darunter zu leiden.

Vor kurzem habe ich erfahren, dass am Ende des Kurses eine öffentliche Aufführung steht. Heißt „Maximal Fallhöhe“. Jö. Natürlich ist die Teilnahme freiwillig. Aber.

Seitdem ich das weiß, beobachte ich mich dabei, wie alles, was ich tue, (wieder) zielgerichtet wird. Vorher war es „sein“. Jetzt ist es „gut sein“.

Welch Koinzidenz, dass Helmut, unser Trainer, just an diesem Tag die Geschichte der Frau erzählt hat, die erblindet ist: Sie hatte bereits gemalt, als sie noch sehen konnte. Doch jetzt, da sie blind sei, male sie noch viel lieber. Denn ihr Vergnügen an der Tätigkeit sei nicht mehr vom Ergebnis abhängig.

Und genau das passiert jetzt mit meinem Vergnügen am Improtheater. Ich mach´s nicht mehr für mich, sondern für andere.

Ist es die Eitelkeit, die mir den Genuss vereitelt? (Interessantes Wort, ist mir noch nie aufgefallen, dass „vereiteln“ mit „eitel“ verwandt ist…) Es könnte mir ja wurscht sein, was die Leute über meine „Performance“ denken. Erfahrenere MitspielerInnen sagten mir, das Publikum würde alleine unseren Mut bewundern und belohnen… Mhm. Ich suche vergeblich den „dummen August“ in mir.

Ich könnte auch Golf spielen, um die Natur zu genießen.

Ich könnte auch joggen, um mich an der Bewegung zu erfreuen.

Ich könnte auch malen, um des Malens willen.

Ich könnte auch schreiben, um des Schreibens willen.

Aber es gelingt mir nicht. Ich will mein Handicap verbessern, mein Gewicht reduzieren, ein tolles Bild malen, eine Geschichte schreiben, die gelesen wird.

Vielleicht schaue ich deshalb gerne fern und höre gern Musik. Damit kann man nun wirklich niemanden beeindrucken. (Wobei meine jugendliche Jimi Hendrix-Phase ausschließlich anerkennungsheischend motiviert war…)

Lasst meinem Improtheater doch die Unschuld. Lasst mich doch blind malen!

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Unsere Aufführung findet übrigens am 7.6. im TAG statt. Karten gibt´s hier.

Wer wirklich gutes Improvisationstheater sehen will, sollte sich Sport vor Ort gönnen. Nur mehr 1 x diese Saison, ebenfalls im TAG.

Nackt in der U-Bahn fahren …

Nackt in der U-Bahn fahren …

… kann auch nicht schlimmer sein, als vor nicht-Verwandten zu singen.

Meine persönliche Gesangsgrenze hört hinter der Badezimmer- bzw. vor der Autotüre auf. Hat man mich doch schon als Kind auf meinen gesanglichen Platz verwiesen: „Und du Alexandra singst nicht mit, du machst Purzelbäume und schlägst ein paar Räder!“ (Volksschulvorführung am Rathausplatz)

Dieses Nicht-Singen-Können kultivierte ich im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte. Auch das Feedback von Familienmitgliedern – Blutsverwandschaft verpflichtet zu größerer Toleranz – trug nicht dazu bei, mein trällerndes Selbstbewusstsein zu stärken. Nicht einmal alkoholisch enthemmt neige ich zum Singen in der Öffentlichkeit.

Eigentlich: Wurscht. Frau muss ja nicht alles können.

Aber: Ich mache ich ja seit einem halben Jahr ein Improvisationstheater-Kurs. Mein Ziel ist es, meine Komfortzone zu überschreiten; Scheitern mit heiterer Gelassenheit hinzunehmen; auf das, was kommt, in der Sekunde zu reagieren, ohne dass der innere Zensor Zeit zum Aufmucken hat. Etwas machen, worin ich nicht gut bin und Spaß dran haben.

Letztes Mal also: Gesangstraining. Als Überraschung. Was gut war, sonst hätte ich garantiert einen Vorwand gefunden, warum ich gerade heute keine Zeit habe. Vor mir: eine Frau, ein Klavier, 10 KollegInnen, unser – magenfester – Coach Helmut.

Flucht? Kampf? Totstellen?

Innerer Dialog:
Sicher nicht. Ich sing sicher nicht vor anderen. No way. Ich müsste nachher alle töten! Oder schon währenddessen! Oder mich. Oder auswandern.

Aber geh. Was soll passieren? Du dilettierst jetzt schon seit 6 Monaten mit diesen Menschen. Du fandest alle schon ein paar Mal extrem peinlich. Trotzdem haben sie nicht deinen Respekt verloren. Im Gegenteil.

Wenn schon, denn schon. Volle Wäsche hab ich mich einlassen auf das Gesangsdings. Und hatte wahrscheinlich einen der lustigsten Abende meines Lebens.

Wir wurden aber auch fantastisch angeleitet von Katrin Weber. Die „Cantaphobie“, also die Angst vor dem Singen, dürfte ähnlich weit verbreitet sein wie die Arachnophobie, die Angst vor Spinnen. (Klingt ja schon ähnlich.) Katrin Weber nimmt darauf Rücksicht. Sie hat uns quasi hingeschummelt zum Singen. Wir haben es fast nicht gemerkt. Wir summten und brummten, klatschten und stampften und ließen alle möglichen Geräusche laut werden. Und plötzlich sangen wir. Gemeinsam, alleine. Zu unterschiedlichen Rhythmen. Bis hin zu unterschiedlichen Genres.

Tada!!!! Ich sang mir die Seele aus dem Leib! Ich sang Hänschen Klein als Chanson!, sang eine Ode an bio-Maroni, ja tanzte sogar dazu. Und alle – auch ich – haben es überlebt. (Ob sie mich jetzt auch noch respektieren, weiß ich nicht. Ich weiß nur, es war mir egal 😉)

Das war mit Sicherheit der größte Schatten über den ich in den letzten Jahren gesprungen bin. Und es tat gar nicht weh. Im Gegenteil!

Danke Katrin, danke Improtheater!

Und das mit nackert in der U-Bahn, das überleg ich mir doch nochmal 😉