Das wird jetzt keine Buchbesprechung. Ich habe das Buch noch nicht gelesen. Aber gestern präsentierte Robert Misik auf Einladung der Grünen Wirtschaft sein neues Buch im HUB. Ich mag ja Misik. Er ist einer der wenigen die so über Wirtschaft schreiben, dass ich Lust hab, das auch zu lesen. Und natürlich auch, weil Misik ein Linker ist, dem es nicht an Humor mangelt.
Der HUB ist voll. Und auf den ersten Blick würde man gar nicht glauben, dass es sich um eine „grüne“ Veranstaltung handelt. Gut, die Location und das Catering der Hollerei lassen schon vermuten, dass sich hier weder rechte noch konservative Recken treffen. Aber lauter durchwegs gut angezogene Menschen, inkl. Volker Plass, dem Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, der optisch auch voll als Rechnungshofspräsidentenaspirant durchgehen würde in seinem dunklen Anzug (was er spätestens in dem Moment zu bereuen beginnt, als er seinen Moderatorenplatz unter den Scheinwerfern einnimmt). Kein Vollbart unter den Männern! Viele Frauen sind da! Yes! (Bei der letzten Veranstaltung dieser Art, als es um Gewinne aus ethischen Investments ging, waren die Y-Chromosome viel zu spärlich vertreten.)
Also es ist heiß. Volker Plass hat den Zeitpunkt, das Sakko auszuziehen, bereits verpasst, als Robert Misik beginnt, in kurzen Zügen den Inhalt seines Buches zu skizzieren.
„Die Weltfremdheit der Austeritätspolitik versteht sich von selbst.“ sagt er eingangs. Nun ja, innerhalb des HUBs sicher, aber außerhalb?!
Dann folgte irgendwas, was ich nicht verstehe und ich frage mich besorgt, ob die Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Event vielleicht war, das Buch bereits gelesen zu haben. Doch nein. Schnell wurde es wieder verständlich.
Misik möchte sein Buch nicht als Kapitalismuskritik verstanden wissen, sondern als Bestandsaufnahme, als Analyse dessen was bereits zu beobachten ist und worüber namhafte Ökonomen bereits publizieren. Dass es so nicht einfach weitergehen kann, sei uns (who is uns?) klar. (Den Entscheidungs-Eliten m.E. allerdings nicht.) Der Kapitalismus, der davon lebt, dass man zunächst Schulden macht, die man anschließend aus wachstumsgenerierten Gewinnen zurückzahlt, funktioniere nicht (mehr), wenn es kein Wachstum gibt. Und das gebe jetzt schon länger nicht mehr. /Und auch wenn die G7 in Tokio beschließen, „weltweites Wachstum zu fördern“, dann zeigt das nur, wie jämmerlich alternativenfrei auf supranationaler Ebene „gespint“ wird./
Die Symptome des Kaputtalismus sind laut Misik:
- niedriges Wachstum seit annähernd 40 Jahren
- explodierende Schulden aller Wirtschaftssubjekte (Staaten, private Haushalte, private Institutionen)
- dramatisches Wachstum der Ungleichheiten
- technologische Entwicklung, die kaum mehr Produktivitätsschübe mit sich bringt.
- bzw. Entkoppelung zwischen Produktivitätssteigerung, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung (Beispiel USA)
Die Transformation werde kommen müssen. Die Frage ist nur: Kommt sie als Crash, als langsamer, schleichender Niedergang oder gestalten wir sie (und tragen so aktiv zu unserem Glück bei – wie das Wort „Glück“ im Untertitel gemeint ist)?
Misik glaubt nach wie vor an die Politik (oder will dran glauben?!). Zwar nicht an jene, die als attraktivstes Argument das kleinere Übel zu sein angibt, aber an eine neue Linke wie sie eventuell auch Herr Kern verkörpern könnte… Da bleibt Misik allerdings dann doch recht vage.
Auf die Frage, warum er den ökologischen Aspekt nahezu völlig außer Acht gelassen habe, antwortet der Autor: Dieser Aspekt eröffnet ein völlig anderes Terrain, das nicht Gegenstand dieses Buches war.
Interessanterweise wird an diesem Abend auch kaum über das Bedingungslose Grundeinkommen gesprochen. Auch wenn sich alle einig sind, dass in den nächsten wieviel-auch-immer Jahren ganz viele Jobs wegfallen werden. Der klassische Ruf der Linken nach besserer Bildung werde auch daran nichts Gravierendes zu ändern vermögen, wie Misik betont.
Ganz ohne einen Verweis auf Griechenland kommt der Abend natürlich nicht aus: In Griechenland herrsche bereits das Chaos. Die soziale Versorgung sei nicht mehr gewährleistet. Doch die Not mache nicht nur kaputt, sondern auch erfinderisch ( © Volker Plass). Sie bringe neue Formen des gemeinsamen, Wirtschaftens hervor (peer-to-peer, „commonismen“) & sie ent-deckt (© ich) Solidariät.
Meine Standardfrage, die ich jedem postwachstumsanimierten Redner (hier kann ich mir das Gendern getrost sparen) in den letzten 6 Jahren gestellt habe, beantwortet auch Misik nicht. Vielleicht habt ja ihr eine Idee: Um den Gedanken nachzuvollziehen, dass es in einem endlichen System (Erde), kein unendliches Wachstum geben kann, braucht man keine überdurchschnittliche Begabung. Warum sehen dann alle, die ich für viel gscheiter als mich halte, immer noch Wachstum als seeligmachende Lösung an? Warum diskutieren wir – die total geheime Postwachstumssekte?! – schon seit Jahren über alternative Szenarien, während die Weltöffentlichkeit geistig zurückgeblieben das Wachstumsmantra vor sich hin brabbelt. /Ich ernte Zwischenapplaus, was nichts an der Nichtbeantwortung der Frage ändert./
Das anschließende Buffet ist zu 100% nicht glutenfrei. Dies trübt meine Stimmung. Zur Postwachstumssekte gehört auch ein Esoteriker, der meint, wir müssen erst unser Menschenbild ändern, dann ergäbe sich der Rest von selbst. Ich habe nicht ausreichend Alkohol zur Verfügung (Bier ist voller Gulten!), um das nachvollziehen zu wollen und ziehe mich in den Raucherhof zurück, wo ich mir das zweite Autogramm meines Lebens hole. Nicht ohne Robert – wir dürfen ihn duzen – darauf hinzuweisen, dass er der einzig noch lebende Mensch ist, von dem ich mir je ein Autogramm geholt habe. (Das erste stammte von Paul Watzlawick.) Das mache ihn verlegen, wie er sagt.
Warum lesen diese verdammten PolitikerInnen nicht solche Bücher und bringen zukunftsfähige Entwicklungen in Gang? Warum scheißen sich die vor dem Kapital so in die Hose? Die haben doch erstens eh schon ausgesorgt, und dann haben die doch auch Kinder, die in einer lebenswerten Welt ihre Kinder großziehen möchten… Nein das habe ich nicht Robert nicht gefragt. Vielleicht steht das ja in seinem Buch. Das geh ich jetzt lesen…
Zu bestellen zu Beispiel beim Buchkontor, der Buchhandlung hinter der Stadthalle, die ab einer Mindestbestellung von € 25,- gratis versendet.
Danke an Beate Hemmelmayer für die Fotos.