Pure Sprachlust
Isabella Straub ist eine ehemalige Schulkollegin. Ich liebe ihre humorvollen Facebook-Kommentare, die immer gespickt sind mit (mehr oder weniger) subtilen Grammatik- oder Rechtschreibhinweisen. Und nun gibt es für uns Sprachfreaks gleich einen ganzen Roman 🙂
Die (manchmal zu?) kunstvolle Verstrickung der Schicksale der Protagonistin und Protagonisten der „Nullzone“ ist teilweise (sehr) lustig, teilweise aber auch ernst. Es geht um die Folgen von Gentrifizierung, Working Poor, Migrationsbiografien und transgenerationale Traumata.
In der „Nullzone“ – dem fashionable Neubauprojekt am Stadtrand – begegnen sich der Zukunftsforscher (sic!) Gabor Sperling, der Botenfahrer Rachid und die Hausmeisterin Elfi Hrbala. Jeder von ihnen eine Lieblingszeit: Jene des Zukunftsforschers Sperling ist – no na – das Futurum Exaktum. „In neunzig Tagen werde ich ein anderer Mensch geworden sein.“ Die Hausmeisterin bevorzugt die Gegenwart. Rachid wiederum „mag die Vergangenheit, wenn sie lange vorbei ist, sagen wir: hundertfünfzig Millionen Jahre. (…) Was er nicht leiden kann: die nahe Vergangenheit, vor allem, wenn Daria darin vorkommt.“
Als Sprachliebhaberin verleiht Isabella Straub ihren AkteurInnen einen ganz individuellen Sound. Ob der gelungen ist – z.B. bei Rachid – kann ich nicht beurteilen, weil mir zu fern. Aber ich fand ihn glaubwürdig. (Vielleicht ist es aber nur ein Slang, von dem wir glauben, dass Menschen wie Rachid sich so ausdrücken…)
„Bruder, sag, wann bin ich wieder frei?“ (Capital Bra, Anm.) Darüber muss Rachid nachdenken. Echt jetzt? Bitte das will einfach nicht in seinen Kopf. Einer, der alle Weiber haben kann, also wirklich alle, und dann jammert der herum? Wie lost kann man sein? Das Nachdenken macht Rachid ganz wund im Kopf. In letzter Zeit hat er übelst Probleme sich zu konzentrieren. Kein Wunder, kommt ja immer was dazwischen. Zum Beispiel ein Pling vom Handy.“
Wunderschöne Sprachbilder
Die Figur des Gabor Sperling eignet sich hervorragend, um große Metaphern wie diese unterzubringen: „Wir alle baden im Fluss der Zeit, aber jede Sprache entwickelt ihre eigenen Schwimmbewegungen und drückt damit ihre Haltung zur Welt aus.“
Wirklich lustig
Wer vorzugsweise an öffentlichen Plätzen liest, sollte sich darauf gefasst machen, von Mitmenschen komisch angeschaut zu werden. Ich musste oft richtig laut auflachen. Und das ist man in der Wiener U-Bahn nun wirklich nicht gewohnt!
Sie treffen sich im Antalya Palace. Dort sind die Kebaps groß wie Felgen und schmecken leider auch so, mit viel Dönersoße kriegt man die aber runtergewürgt. Zum Scheißen reicht´s.
Isabella Straub hat einen raffinierten Sprachwitz. Wer ihr auf Social Media folgt, kennt schon die eine oder andere Wortschöpfung. Hier noch so eine Perle:
Solange ihm noch keine Diagnose übermittelt wurde, ist er zugleich gesund und krank. Für diesen Zustand muss dringend ein Wort erfunden werde: Frau Doktor, ich bin krund. Ich bin gesank. Ich bin krand.“
Ich spreche für Nullzone eine absolute Leseempfehlung aus. Es ist eine surreale Geschichte, die ernste Themen humorvoll verhandelt. Menschen, die Sprache als starres Konstrukt sehen, sollten davon Abstand nehmen. SpielerInnentypen hingegen werden ihre Freude daran haben.

Hardcover, 372 Seiten
Verlag Elster & Salis GmbH
ISBN 978 3 9505435 7 5
Erster Satz
Gabor Sperlings liebste Zeitform ist die vollendete Zukunft: das Futurum exaktum